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Streifzug durch eine Karriere Angefangen muß es 1969/ 70 haben mit einer BRIO-Holzeisenbahn. Die früheste eigene Erinnerung notiert eine respekteinflößende Dampflok an den Schranken (ja: Schranken!) in Frankenthal, das Familienalbum zeigt einen dreijährigen Volker in der Führerstandstür von 212 176 im neuen Ludwigshafener Hauptbahnhof. Die Märklin-Eisenbahn meines Vaters 1974 zu Weihnachten. Mein Ausruf Mensch ... Märklin ist in unserer Familie noch heute Synonym für ehrfürchtige und grenzenlose Freude ... Mit dreizehn entdecke ich in der Stadtbücherei "Die DB heute" von Georg Wagner. Vergessen ist die Modelleisenbahn, ich möchte eine Kamera, ich will raus an die große Bahn. Zur Konfirmation eine Pocketkamera von Oma, endlich darf ich sie festhalten:
Die Bahnsteigaufenthalte bringen mir die Bekanntschaft mit Klaus, einem Eisenbahnfreund, der schon 'erwachsen' ist und in den folgenden Jahren mein Mentor in Sachen Eisenbahnfreundschaft sein sollte. Geld zum Bahnfahren habe ich als Schüler keines, und so begrenzt der Fahrradradius von rund 20 km meinen Erfahrungshorizont, wenn Klaus mich nicht gerade mit dem Auto mitnimmt. 1985 kommt dann der Durchbruch. Vom ersten selbsterjobten Geld gibts im Frühjahr eine nagelneue Pentax ME Super und im Sommer ein Trampermonatsticket (DM 234.-). Tagestouren führen mich auf der Jagd nach mir unbekannten Baureihen nach Braunschweig (613), Duisburg (221), Geislingen (keine 193 mehr). In den Folgejahren wird das Lok-abfotografieren langweilig. Ich lerne - Georg Wagners Bilder im Kopf - Strecken- und Motivfotografie kennen, die ihren Reiz für mich bis heute nicht verloren haben. Zugleich lösen stillzulegende Strecken die auszumusternden Baureihen ab als Objekt meiner ewigen Jagd nach dem bald verschwindenden, dem rar und damit wertvoll (was wert? wem wert?) werdenden. Der Führerschein, das Vertrauen der elterlichen Autoinhaber in meine Fahrkünste und eine Zivildienststelle mit Schichtdienst (täglich einen halben Tag bei Helligkeit frei haben!) tun das ihrige dazu, daß mir nach und nach jede noch so selten verkehrende Übergabe im näheren und weiteren Umkreis vor die Linse kommt. Bei einer Politisierung im geistigen Umfeld von Friedens- und Anti-Atom-Bewegung liegt es nahe, daß sich zu dem fotografischen Interesse an Streckenstillegungen das Interesse an deren verkehrspolitischen Hintergründen und an der Misere des Öffentlichen Verkehrs im Allgemeinen gesellt. Wiederum werde ich in der Stadtbücherei fündig, wo der autozentrierte Generalverkehrsplan der Stadt Frankenthal von 1975 in mir den Schluß reifen läßt, einen Beruf zu erlernen, in dem ich es besser machen kann. Daß ausgerechnet jener Professor Retzko, der für diesen Generalverkehrsplan verantwortlich zeichnete, im anschließenden Studium des Bauingenieurwesens (Vertiefungsrichtung Verkehrsplanung) mein hochgeschätzter akademischer Lehrer wurde, kann ich nur als Ironie des Schicksals bezeichnen.
Und heute? Einige Jahre Berufserfahrung als Verkehrsplaner, die meinen Sinn für Realitäten geschärft, meinen Idealismus aber nicht verschüttet haben. Eine Promotion aus Lust am Weltbegreifen. Lohn, Brot und Herzblut als Bereichsleiter im Zentrum für integrierte Verkehrssysteme. Verena, die manchmal auch Eisenbahnen fotografiert (siehe oben rechts). Ella, die zweifelsfrei S-Bahnen von ICEs unterscheiden kann und Dampfloks große Lustangst entgegenbringt. Luis, der auch schon groß genug ist, um zum Fotografieren mitgeschleppt zu werden. Und die weniger als halbherzige Sehnsucht nach Zeiten, als ich mich fast ohne Einschränkung der Eisenbahn widmen konnte.
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