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    ‘Alexandra-Express’

    Dies ist ein Reisebericht vom NVAG-Sonderzug ‘Alexandra-Express’ am 2.8.1998. Statt intensiver Streckenbeobachtung und Personalbefragung habe ich mich mehr Verena und Ella gewidmet, so dass mir das ein oder andere eisenbahnerische Detail entgangen sein duerfte, doch ist der Rest hoffentlich noch interessant genug.

    Die telefonisch reservierten Fahrscheine (keine Vorabbezahlung, keine Buchungsbestaetigung, alles nur auf Vertrauen und mit der hoeflichen Bitte verbunden, bei Nichtteilnahme wegen der grossen Nachfrage abzusagen!) liegen am NVAG-Schalter in Niebuell bereit. Der Fahrkartenverkaeufer ist offensichtlich zugleich Zugleiter (oder umgekehrt), zumindest spricht er mehrmals ueber Rangierfunk. Am Schalter gibt es neben anderen Devotionalien auch eine informative Broschuere ‘100 Jahre NVAG’ von 1995 fuer 5.- DeEmm, die zugleich erworben wird. Derweil rangiert der Sonderzug aus dem Bw an den NVAG-Bahnsteig. Noch bevor er in seiner endgueltigen Position steht stuermt das Publikum trotz gegenteiligen Lautsprecherhinweises die Wagen, der Rangierer ist vorsorglich schon mal mit den Nerven am Ende.

    Die Garnitur besteht aus T4, einem 1995 von Jenbacher gelieferten Triebwagen analog dem OEBB-5047, Wagen 102 und Steuerwagen VS 101. Beide Wagen entsprechen in Aufbau und Teilung den frueheren DB-yl, doch waehrend eine NVAG-Broschuere fuer den VS 101 (mit Wittenberger Stirn) den Umbau zugibt, behauptet sie, die Wagen 102 und 103 seien Neubauten der Bremer Waggonbau von 1993!?

    NVAG-Sonderzug im dänischen Gravenstein
    NVAG-Sonderzug im dänischen Gravenstein (wie generiere ich in html die dänischen Sonderzeichen?)

    Die Fahrt beginnt mit zweimaligem Saegen von Niebuell NVAG nach Niebuell DB, von dort geht es auf die urspruengliche, 1887 eroeffnete Marschbahn in Richtung Tondern (Sorry, ich verwende durchgehend die deutschen Ortsnamen, was nichts mit Revisionismus zu tun hat, sondern nur damit, dass mir Umschriften der daenischen Buchstaben nicht bekannt sind). Der Ausbauzustand der Strecke ist recht gut (NATO), allerdings muessen vier BUE von Hand gesichert werden. Das Planum des frueheren zweiten Gleises ist an vielen Stellen gut zu erkennen. In Suederluegum steigen noch ca. 15 Fahrgaeste im Bereich der Ladestrasse zu, Bahnsteig und EG sind nicht mehr vorhanden. Die Nebengleise sehen noch nicht vollkommen verrostet aus. Im grosszuegig angelegten Bahnhof Tondern stehen im suedlichen, einstmals wohl dem Gv dienenden Teil etliche (7?) ehemalige DSB-MY rum, zum Teil noch in DSB-Lack, zum Teil in den Farben der ‘Privatbanen So/nderjylland’ (nun also doch ein Umschriftversuch).

    Nach 10minuetigem Aufenthalt am Bahnsteig - in den Fahrtunterlagen der NVAG als Raucherpause angeboten - geht es in Richtung Tingleff. Diese Strecke war die erste, die Tondern erreichte (1867), und ist bereits seit geraumer Zeit im westlichen Abschnitt ohne Verkehr. Nach den Fahrtunterlagen befahren wir sie als Rangierfahrt, was aber offensichtlich in DK eine andere Bedeutung hat als hierzulande, denn die Fahrtgeschwindigkeit betraegt etwa 40 - 50 km/h und alle (!) BUE sind BliLo-gesichert. Die Strecke umrundet zunaechst im Viertelkreis das Zentrum von Tondern und passiert dabei auch den ersten Tonderner Bahnhof (vor Bau der Marschbahn), auf dessen Areal sich heute ein Busbahnhof befindet. Der weitere Verlauf fuehrt durch flache bis sanfthuegelige Landschaft. In Jeising und Buelderup-Bau sind noch EG vorhanden, die aber als solche mehr durch ihre Lage an der Strecke als durch die Bauweise zu erkennen sind. In letzterem Bahnhof stehen ein Skl-aehnliches Geraet und mehrere Schotterwagen, auch etliche am Bahndamm liegende Altschwellen deuten auf Unterhaltungsarbeiten hin.

    Nach kurzem (Raucher-) Halt in Tingleff geht es auf der eingleisigen elektrifizierten Strecke Tingleff - Sonderburg bis Gravenstein. Soweit ich es mitbekomme, gibt es auf immerhin rund 24 km Laenge keine Kreuzungsmoeglichkeit. Die Landschaft ist erstaunlich huegelig und hinter Rinkenis ergeben sich schoene Ausblicke auf die Flensburger Foerde. In Gravenstein wird der Zug entgegen den Ankuendigungen nicht in den Hafen rangiert, sondern die Fahrgaeste muessen ca. 250m bis zum Anleger laufen.

    Waehrend der Zug leer (bis auf einige Streckenbereiser, die die Flensburger Gueterumfahrung noch nicht ‘haben’) nach Flensburg faehrt, steigen die Fahrgaeste auf den Dampfer ‘Alexandra’ um, der sie in zweistuendiger Fahrt nach Flensburg schaukelt. Die Alexandra waere einen eigenen Bericht wert, aber dafuer ist dies der falsche Platz.

    NVAG-Sonderzug im Flensburger Hafen
    Am Kai nahe der Flensburger Altstadt übernimmt der NVAG-Sonderzug wieder die Passagiere der Alexandra, deren Schlot in der linken Bildhälfte zu erkennen ist.

    Bei der Einfahrt in den Flensburger Hafen ist im Hafenareal nirgendwo ein Gueterwagen zu entdecken, tote Hose also .... Nahe der Anlegestelle steht bereits der NVAG-Zug bereit, den zu erklimmen aufgrund von Bauarbeiten am Kai ein schwieriges Unterfangen ist. Die Hafengleise gehoeren zur (fruehreren?) Betriebsstelle Flensburg Alter Bahnhof. Die Strecke in Richtung Flensburg Weiche verlaeuft mitten durch die Innenstadt, in Hoehe des Busbahnhof u.a. ueber ein Viadukt a la Berliner Stadtbahn. Das Gleis laeuft allerdings nicht mehr bis Weiche durch, sondern ist an der Stelle, an der es auf die Strecke Hbf - Weiche trifft, an selbige als Awanst Wilhelmsthal angeschlossen. Frage hierzu: wenn es sich bei der Betriebsstelle Wilhelmsthal um eine Awanst und nicht um einen Abzw handelt, duerfte doch das Gleis Wilhelmsthal - Alter Bahnhof nicht mehr als Strecke sondern nurmehr als Anschlussgleis, Rangiergleis o.ae. firmieren? Dies setzte aber eine Stillegung der Strecke nach Alter Bahnhof voraus, von der mir in der einschlaegigen Literatur jedoch nichts begegnet ist. Habe ich nun was verpasst oder ist mein Gedankengang falsch? Der Bahnhof Weiche sieht arg zerrupft aus, ich schau lieber nicht aus dem Fenster ...

    Zum Abschluss dann noch die Strecke Flensburg Weiche - Lindholm (-Niebuell) mit gutem Oberbau (NATO), einigen wenigen verwachsenen EG, sieben Halten zur BUE-Bedienung und maessiger Landschaft.

    Abschliessender Kommentar: Gut organisierte, abwechslungsreiche Fahrt fuer vorwiegend touristisches Publikum, ein wenig Daenemark kennengelernt und erstmals richtig Dampfer gefahren.

 

 

Diese Datei wurde erstellt von Volker Blees am 26.02.2004.
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