Schrankenposten

 

 

 

 

Draisinentour Staudernheim - Lauterecken
2. Juli 2001

Als Weihnachtsgeschenk hatten im letzten Jahr wir meinem Vater einen Familienausflug per Draisine durchs Glantal geschenkt. Wegen der großen Nachfrage nach Draisinenfahrten gestaltete sich die Terminfindung recht schwierig, doch heute war es so weit: wir konnten zu siebt auf große Fahrt gehen.

Die Anreise.

Nachdem das morgendliche Kinder-Zusammenpacken etwas schleppender vor sich ging als geplant, begann der Tag mit einer Umdisposition: statt Kranichstein musste Weiterstadt als Zugangsstelle gewählt werden, wo wir dann recht zeitig auf dem Bahnsteig standen. Das Warten verkürzten uns eine 152, die ihr beachtliches Beschleunigungsvermögen mit einem Güterzug unter Beweis stellte, und ein TVT, bei dessen Vorbeifahrt Ella mit ihrer Frage "Wieso ist der Schienenbus gelb?" profunde Bahnkenntnisse bewies.

Die RB nach Mainz bestand - wie mittlerweile üblich auf der Strecke - aus einem Wendezug mit Wittenberger Steuerwagen, zwei n-lingen und 143. Der Zug war recht voll, und wie schon häufiger in dieser Relation fiel mir auch jetzt wieder die große Anzahl mitgenommener Fahrräder auf. Vor Nauheim durften wir dank niveaugleichen Bahnsteigzugangs und Verspätung der Gegen-RB die schöne Riedlandschaft vor dem Einfahrsignal stehend genießen. Wegen der räumlichen Verhältnisse in Nauheim wird die Beseitigung des niveaugleichen Zugangs wohl noch einige Zeit auf sich warten lassen.

In Mainz-Bischofsheim ist im Rangierbahnhof mehr Betrieb denn je, sogar die südöstliche Aufstellgruppe steht voll. Kein Wunder, nachdem der Bahnhof die Aufgaben von Kranichstein und teilweise von Frankfurt Hgbf übernommen hat. Vor Mainz Süd bleiben wir nochmal kurz auf der Rheinbrücke stehen, um dann im Bahnhof den von 103 126 gezogenen IC 800 zu überholen.

In Mainz Hbf stoßen wir auf den Rest der Gruppe, der den Weg aus der Vorderpfalz hierher gefunden hat. Im Wendezug mit 218-Schub gings in einem der üblich verdreckten Saar-Westpfalz-Grünlinge pünktlich, aber ohne bahnrelevante Ereignisse nach Staudernheim.

Die Draisinentour.

Schon bei der Einfahrt nach Staudernheim hatten wir vom Zug aus gesehen, dass das Draisinentour-Gelände am Abzweig der Glantalbahn, also recht weit vom EG entfernt liegt. Wir suchten uns den kürzesten Weg über den P+R-Parkplatz und parallel zu den Gleisen, durchquerten den Garten eines Bahnwärterhauses und standen schon auf dem Parkplatz der Ausleihstation.

Trotz Montag standen hier um halb zehn schon rund 20 Pkw versammelt, ein Indiz für die große Nachfrage. Das Büro der Station ist in einem blitzblauen G10 untegebracht, wo wir die Nutzungsbedingungen unterschrieben und die Draisinen 21 und 35 (es gibt keine Bauartbezeichnungen, nur laufende Nummern ;-) [Viele große Staatsbahnen haben auch mal so angefangen :-))] ) zugewiesen bekamen.

Die Draisinen selbst bestehen aus einer rund 1,50m im Quadrat großen Plattform mit zwei Fahrradsitzen in der vorderen Hälfte links und rechts und einer Sitzbank für zwei durchschnittliche Personen in der Mitte. Vor den Fahrradsitzen sind stabile Haltegriffe angebracht. Die Pedale selbst sind ungewohnt steil unter dem Sitz, was aber dem Strampelkonmfort entgegen meinen ersten Befürchtungen nicht abträglich ist. Gebremst wird mittels zweier Pedale (für jeden Strampler eines), die per Hebel unmittelbar auf die Kunstoffräder wirken. Unter und hinter der Sitzbank ist ausreichend Platz für Gepäck, das allerdings gegen Herunterfallen gesichert sein will (der Glan ist tief und strudelig ...). Für Luis, der mit seinen 14 Monaten noch nicht selbständig draisinentauglich ist, lässt sich an der Sitzbank ein Geschirr befestigen, das ihn vor unvermittelten Abgängen schützt.

Nachdem unsere beiden Draisinen mittels einer kleinen Drehscheibe in Fahrtrichtung gedreht und unser Gepäck verladen ist, müssen wir noch eine wenig warten, denn SAT 1 ist gerade auf der Strecke zum Filmen unterwegs. Kurze Zeit später kehrt das Kamerateam zurück - angesichts der Kameraführung kann ich mir gut vorstellen, wie aus Draisinenfahren eine dynamische Eventsportart gemacht wird.

Dann gehts los, gleich in Spuckweite der Station über eines der Ingenieurbau-Highlights der Strecke, die Staudernheimer Glanbrücke. Leider können wir das Bauwerk und die Aussicht nicht genießen, da wir noch damit beschäftigt sind, uns mit den Draisinen vertaut zu machen. Trotz des Gewichts von geschätzt 90 kg (zzgl. Fahrgäste + Gepäck) ist die Betriebsgeschwindigkeit von rund 15 km/h rasch erreicht und anschließend ohne große Mühen zu halten. Nach oben ist die Geschwindigkeit vor allem durch das Rotationsvermögen der Beine beschränkt, erreichbar sind etwa 30 km/h. Die Steigungen - absolut etwa 22 m Höhendifferenz auf 22 km Streckenlänge und Maximalneigungen von 1:194 - sind beim Fahren nicht wahrnehmbar, dagegen erschweren die Überhöhungen in den Kurven merklich das Vorankommen. Die Bremsen tun ihre Wirkung so gut, dass mir der in den Nutzungsbedingungen vorgeschriebene Abstand von 50 m zur voranfahrenden Draisine doch sehr großzügig erscheint.

Bis Odernheim war die Strecke immer nur Nebenbahn, was sich äußerlich an einer Reihe von P-Tafeln wahrnehmen lässt. Die Feldweg-BÜs dürfen schienenseitig ohne besondere Vorsichtsmaßnahmen passiert werden, erst an einer Nebenstraße in Odernheim wird mit einem Schild zum Absteigen und Über-die-Straße-Schieben aufgefordert. Doch wie war das gleich: Zp1 geben bis Mitte der Straße und dann Beschleunigen ...

An der Anst Schmidt & Söhne erfreut der Zahnstangenantrieb einer Weiche mein Auge. Die Einfädelung der Strategischen Bahn in den Bahnhof Odernheim kann ich auch diesmal nicht entdecken. In Odernheim setzen wir zum ersten Mal die Draisinen aus, um eine Gruppe mit geistig Behinderten überholen zu lassen, die ihrer Freude an der Fahrt johlenderweise Ausdruck verleiht und offenbar wild entschlossen ist, den Streckenrekord zu brechen. Zum Aussetzen braucht es dann doch einige Kraft.

Posten 3061
Der Feldwegübergang am ehemaligen Posten 3061 wird entsprechend dem Draisinen-Nutzungsvertrag schiebend überquert.

Weiter gehts auf den Spuren des Calais-Wiesbaden-Express auf der ehedem zweigleisigen Hauptbahn Bad Münster - Homburg. In sanften Kurven schlängelt sich sie Strecke durch liebliche Landschaft, ein wahrer Genuss für Auge und Nase. Nur das Ohr leidet ein wenig unter den Rollgeräuschen und der Tastsinn meldet sich (allerdings erst etliche Kilometer später) unangenehm vom Sattel berührt. Die ehemaligen Haltepunkte Rehborn und Raumbach werden passiert, ebenso einige Schrankenposten. Die Schrankenbäume sind übrigens an fast allen BÜ noch vorhanden, allerdings auf Kurbelbetrieb am Schrankenantrieb selbst umgebaut.

In Raumbach treffen wir erstmals auf eine größere Straße, an der Schranken den Draisinen die Fahrt versperren. Hier ist ein Drüberrasen nicht möglich, sondern es muss einer der Mitfahrer absteigen und den Schlagbaum hochdrücken.

Auf die geplante Rast in Meisenheim verzichten wir, da der 'Draisinenparkplatz' voll belegt ist, und fahren stattdessen weiter bis Odenbach. Hier, wie auch an weiteren kleinen Orten, ist gerade mal Platz um drei Draisinen abzustellen - ein klassisches Beispiel dafür, wie sehr Parkplatzprobleme die Zielwahl im Tourismusverkehr beeinflussen.

Der Draisinenparkplatz in Odenbach befindet sich unmittelbar am Schrankenposten 3049, dessen Gebäude hübsch an die Stützmauer zum Glan geklebt ist. Im Dienstraum ist noch ein original pfälzischer Kubelbock vorhanden, bei dem jeder Schrankenbaum eine eigene Kurbel hat.

Nach ausgiebiger vorgezogener Mittagsrast geht es weiter glanaufwärts. Im folgenden Streckenabschnitt bis Lauterecken ist das Planum des zweiten Gleises auffällig gut erhalten. Erwähnenswert scheint auch, dass an den Weichen die Lücken in den Fahrkanten nahe des Herzstücks durch eingeschweißte Metallschienen geschlossen wurden, damit die Draisinen mit ihren kleinen Rädern nicht aus der Weiche fallen.

Kurz vor Lauterecken fällen wir angesichts der fortgeschrittenen Zeit, des beginnenden Quengelns von Ella und Luis und der Beanspruchung unserer Gesäße die Entscheidung, nicht noch weiter nach Altenglan zu fahren, sondern uns die Veldenzstadt anzuschauen und dann mit dem Bus nach Staudernheim zurückzukehren. Während wir in der Bahnhofsgaststätte auschecken erobert eine Jugengruppe ein Dutzend Draisinen und nutzt sie gleich fleissig in Autoscooter-Manier ...

Posten 3035
Posten 3035 im Stadtgebiet von Lauterecken weist ein ausgesprochenes Kuriosum auf: Die Lautertalbahn und die Draisinenstrecke queren mit zwei parallelen Gleisen die Straße. Um nun zu verhindern, dass sich bei Zugfahrten gleichzeitig auch Draisinen im 'Gefahrenraum' zwischen den Schranken befinden, sind an der Draisinenstrecke Schlagbäume aufgestellt, die von Schrankenwärter elektrisch verschlossen werden können (im Bild links erkennbar). Auch im anschließenden Verlauf ist das Draisinengleis von der richtigen Eisenbahn mittels Maschendrahtzaun strikt getrennt.

Der Eisenbahn-Teil des Bahnhofs Lauterecken ist auf ein Minimum geschrumpft, ganze zwei Stumpfgleise stehen dem Zugverkehr zur Verfügung. Dennoch ist mit Sonderlichkeiten wie Gruppenausfahrsignal und zwei Schrankenposten im Ortsgebiet einiges zu sehen.

Nach ausgiebiger Stadtbesichtigung steht der Regiobus nach Bad Sobernheim überpünktlich zur Abfahrt bereit. Eine vor dem Bus wartende Gruppe von Jugendlichen lässt uns zunächst schlimmstes befürchten, doch steigen alle ruhig und gesittet ein. Erst als sich einige von ihren Begleitern mit 'do swidania' verabschieden, wird uns klar, dass diese jungen Menschen wohl anders sozialisiert sein müssen als wir (es gewöhnt sind).

Der Regiobus verlässt Lauterecken pünktlich um 15.46 Uhr, also eine Minute vor dem planmäßigen Eintreffen der RB aus Kaiserslautern. Der Bus ist brechend voll, ab Meisenheim müssen rund zehn Fahrgäste stehen. Als am Bahnhof in Staudernheim fast alle den Bus wieder verlassen liegt der Schluß nahe, dass die meisten der Busfahrgäste Draisinenfahrer sind.

Die Rückreise.

Über die Rückreise kann ich nur wenig berichten, da Kinder und Eltern - aufgemuntert von dem gelungenen Ausflug - den ihnen zustehenden Teil Aufmerksamkeit einforderten. Aufgefallen sind mir lediglich drei 146 mit Regionalzügen in Mainz, IC 529 mit 103 182 vor dem Steuerwagen und letztlich eine 141 vor unserem eigenen Zug nach Darmstadt.

Wer mit dem Lesen bis hierhin durchgehalten hat, dem möchte ich abschließend eine Fahrt auf der Draisinenstrecke ans Herz legen, sowie für den eisenbahnhistorisch Interessierten auf das Buch von Hans-Joachim Emich und Rolf Becker: Die Eisenbahn an Glan und Lauterverweisen.

 

Diese Datei wurde erstellt von Volker Blees am 26.02.2004.
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